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Ärzteverbände definieren unsere Gesundheit neu: Natürliche Wechselfälle des Lebens und normale Verhaltensweisen werden systematisch als krankhaft umgedeutet. Pharmazeutische Unternehmen sponsern die Erfindung ganzer Krankheitsbilder und schaffen ihren Produkten auf diese Weise neue Märkte.

Die Firmen Jenapharm und Dr. Kade/Besins in Berlin versuchen gegenwärtig, eine Krankheit bekannt zu machen, die angeblich Millionen von Männern im besten Alter heimsucht: das »Aging Male Syndrome« - die Menopause des Mannes. Die Unternehmen engagierten Meinungsforschungsinstitute, PR-Unternehmen, Werbeagenturen und Medizinprofessoren, um die Wechseljahre des Mannes publik zu machen. Auf Pressekonferenzen wurde »der schleichende Verlust« der männlichen Hormonproduktion beklagt. Anlass für die Kampagne sind zwei Hormonpräparate, die im April 2003 auf den deutschen Markt gekommen sind.

Zum Repertoire der Krankheitserfinder gehört, die ursprüngliche Indikation für eine Arznei auszuweiten. So wurde in den USA die Wachmacherpille Provigil für die seltene Krankheit Narkolepsie zugelassen, die mit plötzlichen Schlafanfällen verbunden ist. Um den Kreis der Konsumenten zu vergrößern, versucht der Hersteller Cephalon passende Krankheitsbilder aufzutun. Die Firma hat eine Studie gesponsert, der zufolge die Schlaftötertablette unruhigen Kindern hilft. Überdies erforschte das Unternehmen das Befinden von Schichtarbeitern - und will prompt eine neue Krankheit entdeckt haben: die »Nachtschichtschlafstörung«.

»Es ist leicht, neue Krankheiten und neue Behandlungen zu erfinden«, konstatiert das British Medical Journal. »Viele normale Prozesse des Lebens - Geburt, Altern, Sexualität, Nicht-Glücklichsein und Tod - kann man medikalisieren.«

Die Ausweitung der Diagnosen in den Industriestaaten hat ein groteskes Ausmaß angenommen. Etwa 30 000 verschiedene Seuchen und Syndrome, Störungen und Krankheiten wollen Ärzte beim Homo sapiens ausgemacht haben.

Für jede Krankheit gibt es eine Pille - und immer häufiger für jede neue Pille auch eine neue Krankheit. Im Englischen hat das Phänomen schon einen Namen bekommen: »disease mongering« - das Handeln mit Krankheiten.

Krankheitserfinder verdienen ihr Geld an gesunden Menschen, denen sie einreden, sie wären krank. Leiden nicht auch Sie gelegentlich unter Müdigkeit, schlechter Laune oder Unlust? Hapert es zuweilen an Ihrer Konzentration? Sind Sie schüchtern?

In den Medien werden Sie sicher mit leichter Beunruhigung eine ganze Palette von Krankheiten entdeckt haben, die auf Sie zutreffen könnten: Ob Bluthochdruck, soziale Phobie, Jetlag, Internetsucht, erhöhter Cholesterinspiegel, larvierte Depression, Übergewicht, Menopause, Fibromyalgie, Reizdarmsyndrom oder erektile Dysfunktion - medizinische Fachgesellschaften, Patientenverbände und Pharmafirmen machen in nicht enden wollenden Medienkampagnen die Öffentlichkeit auf Störungen aufmerksam, die angeblich gravierend sind und viel zu selten behandelt werden.

Das »Sisi-Syndrom« tauchte 1998 erstmals auf: in einer einseitigen Anzeige des Unternehmens SmithKline Beecham (inzwischen GlaxoSmithKline). Die betroffenen Patienten sind der Firma zufolge depressiv und gegebenenfalls mit Psychopharmaka zu behandeln. Allerdings würden sie ihre krankhafte Niedergeschlagenheit dadurch überspielen, indem sie sich als besonders aktiv und lebensbejahend gäben. Das Syndrom werde nach der Kaiserin Elisabeth (»Sisi«) benannt, da sie den Patiententypus wie ein Urbild verkörpere.

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