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Dieses Leiden will der im sonnigen Spanien praktizierende Psychotherapeut Eckhard Neumann beobachtet haben. Ähnlich bedrohlich erscheint die »Leisure Sickness«, die pathologische Unfähigkeit zum Müßiggang. Ad Vingerhoets von der Universität im niederländischen Tilbürg meint, drei Prozent der Bevölkerung würden durch Freizeit krank. Die Symptome reichen von Müdigkeit über Kopf- und Gliederschmerzen bis zu Erbrechen und Depressionen. Ferienorte sind zu meiden, weil die Seuche dort besonders heftig grassiert.

Wer sich von Sonne und Freizeit nicht unterkriegen lässt, der fällt ebenfalls in die Zuständigkeit der Heilkunde. Putzmuntere Menschen nämlich haben die »generalisierte Heiterkeitsstörung«. Dieses in dem Blatt Forum der Psychoanalyse beschriebene Fröhlichkeitssyndrom äußert sich in Symptomen wie Sorglosigkeit und Realitätsverlust. Und auch wer sich der Medizin verweigert, ist womöglich ein Fall für sie: Zwei bis drei Prozent der Bundesbürger, so die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, leiden unter einer krankhaften Furcht vorm Doktor, der »Blut- und Arztphobie«.

»Gib meine Jugend mir zurück«, heißt es in Goethes »Faust«. Nun hat sich ein neuer Teufelspakt gebildet. Eine Allianz aus Ärzten, Pharmakonzernen und Patienten nährt die Utopie vom makellosen Menschen. Lebensgenussmedikamente werden von gesunden Menschen geschluckt, um besser als gut zu sein. Die Zahl entsprechender Arzneimittel hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen: Mittel zur Verbesserung des Hirnstoffwechsels (Nootropika), Psychopharmaka, Hormone, Vitamin-A-Präparate oder etwa das Bakteriengift Botulinumtoxin sollen das Wohlbefinden gesundheitswütiger Konsumenten perfektionieren.

Die Gesundheit wird zu einem Zustand gemacht, den keiner mehr erreichen kann, für den man in Deutschland aber mittlerweile durchschnittlich mehr als 14 Prozent des Gehalts an die Krankenkassen abgeben muss.

Quelle:

Jörg Blech:

Die Krankheitserfinder / Wie wir zu Patienten
gemacht werden.

Frankfurt am Main:
S. Fischer Verlag, 2003;
ISBN 3-10-004410-X

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